Willkommen in einem der düstersten Kapital der Menschheitsgeschichte

Mehr als 30.000 Opfer forderten die Hexenverfolgungen im Mittelalter bis zur Frühen Neuzeit in Deutschland.

An einem kleinen Platz im Ahrgebirge kommt man dem Grauen von damals sehr nahe.

„Auf Wolfsgraben“ heißt der Ort vor der „Silvesterhütte“in Ahrbrück. Ein romantisches Plätzchen zum Feiern am Lagerfeuer. Der Blick geht hinüber nach Kreuzberg mit der gleichnamigen Burg. Doch die Idylle hat eine grauenhafte Geschichte.

 

Es ist der 17.Juli 1649 und das kurfürstlich kölnische Hochgericht eröffnet die Anklage. Es geht um die ungefähr 50 Jahre alte Else Simons aus dem Flecken Pützfeld an der Ahr. Die Mutter von neun Kindern, von denen vier verstorben sind, kämpft unter Folter um ihr Leben. Sie ist von 17 Mitbürgern der Hexerei beschuldigt worden. Im Verlies der Burg Are oberhalb von Altenahr wird sie mehrfach „peinlich befragt“, also gefoltert und verhört. Doch sie weigert sich, die Beschuldigungen zuzugeben. Trotz Bewachung gelang es ihr jedoch eines Nachts sich durch ein kleines Loch in der Schmiede zu zwängen und mittels abgerissener Stücke ihrer Schürze und ihres Hemdes, die sie zusammengeknüpft hatte, abzuseilen. Leider wurde sie jedoch wieder gefasst und  nach weiteren Foltern, wie Daumendrehen, Rädern und Strecken, war ihr Wille gebrochen und sie gesteht, ...

 

,...“des Nachts als sie in ihrem Hofe war, wäre der Teufel in Gestalt eines schwarzen Mannes gekommen, einen großen schwarzen Bock bey sich gehabt, daruf sie sich gwiedlich , in des Teufels Namen gesetzt, und in der Eil auf Nentart an den Tanz gefahren, alda viel Leut gewesen. Sey auch ufm Wolfsgraben bey dem Creuz am Tanz gewesen“

 

 

Aberglauben, Missgunst und Habgier

 

Das erzwungene „Geständnis“ wird sie ihr Leben kosten. Mehr als 200 Frauen im heutigen Kreis Ahrweiler erging es im 17.Jahrhundert so wie Else Simons aus Pützfeld. Mehr als 30.000 Hexen und Zauberer wurden während der großen Hexenverfolgungen in Deutschland zwischen dem 14. und 17.Jahrhundert hingerichtet. Die letzte fand 1777 in Kempten statt. Eine Mischung aus „Aberglauben, Missgunst und Habgier“ sei das gewesen, heißt es in der einschlägigen Literatur. Das Ende des Mittelalters und die beginnende Neuzeit hatten in ganz Mitteleuropa zu Umwälzungen in jeder Hinsicht geführt. Alte Werte und Normen stimmten nicht mehr.

 

Unterstützt wurden die Pogrome von einer verblendeten Kirche wie dem Trierer Weihbischof Binsfeld, der 1589 den „Tractatus confessionibus malificarum et saguarium“ veröffentlichte, in dem er die Grundlage für eine systematische Hexenverfolgung im Erzbistum Trier legte. Oder durch den berüchtigten „Hexenhammer“ (Malleus malificarum) der Dominikanermönche Heinrich Istitoris und Jakob Sprenger von 1487. Selbstbewusste, nonkonformistische Frauen waren ihnen suspekt. Und ein durch die Folter erpresstes Urteil war weltlichen und kirchlichen Mächten wohlfeil genug, um ihren Autoritätsanspruch durchzusetzen.

 

Auch „Auf Wolfsgraben“ in der Ahreifel war eine der Hinrichtungsstätten des Hochgerichts im Mittelalter. Die Gemarkung ist mit Bedacht gewählt. Ausweislich der Chronik des Dorfes Pützfeld war hier ein Hexentanzplatz. Wo ließ sich besser der Sieg der „Vernunft“ über die „Hexerei“ feiern? Bei den Hinrichtungen war die Bevölkerung zur Anwesenheit verpflichtet. Das sollte der Abschreckung dienen.

 

Diese Vorgeschichte kennen auch Maria und Karl-Heinz Ulrich aus Ahrbrück. Und sie wissen, dass Else Simons ihnen nähersteht, als sie dachten. Während der NS-Zeit musste ein Onkel von Karl-Heinz Ulrich einen „Arier-Nachweis“ erbringen, in diesem Zusammenhang habe man den Familienstammbaum erforscht. Man kam weit, sehr weit zurück. Auch bis zu Else Simons, wie viele Familien aus dem Umkreis.

 

Im Januar 2008 gründete das Ehepaar mit einer Gruppe Gleichgesinnter einen Initiativkreis mit dem Ziel, an Frauen wie Else Simons und ihr Schicksal zu erinnern. Der Landkreis Ahrweiler, das RWE und die Jagdgenossenschaft gaben einen Obolus für das Vorhaben dazu, die örtlichen politischen Gremien standen der Sache ebenfalls positiv gegenüber. Man machte sich kundig in den alten Dokumenten auf Ämtern und in Archiven wie dem Historischen Archiv der Stadt Köln, wo man auf das Vernehmungsprotokoll der Else Simons stieß.

 

 

 

Erhängt und dann verbrannt

 

1700 Euro kostete am Ende eine Dokumentation und der Gedenkstein aus Schiefer (Firma Kaspers, Schuld; Entwurf Peter Kessler, Remagen) Er ist mannsgroß und zeigt einen Galgen, darunter die lodernden Flammen eines Scheiterhaufens. Am 2. August 1649 starb so Else Simons.

 

Das kurfürstlich kölnische Hochgericht notiert:

 

„...daß sie die Beklagtinn mit dem Strick vom Leben zum Tod gepracht , und der Körper mit dem Feuer zu Eschen verbrannt werden solle.“

Else Simons bedankt sich „daß man ihro von diesem sündlichen Leben verhelfen thut. Pittende, man wolle doch ihres Mannes etwas mit den Kosten verschonen, demnach zu dem Hrn. Amtmann und Doctoren geleitet, vor demselben sich auch bedanket.“

 

Was geschah ist auf einer Informationstafel unweit des Gedenksteins nachzulesen. Beides wurde am 3. September 2008 bei einer Feierstunde eingeweiht. „Mord verjährt nicht!“ betonte der Landrat in seiner Ansprache. Auch Else Simons solle so rehabilitiert werden, hieß es. Am 21. März 2009 segnete der zuständige Pfarrer den Gedenkstein ein. Der Stein trägt die Inschrift: „Ehemaliger Richtplatz in Erinnerung an die Opfer der Hexenverfolgung im 17.Jahrhundert“.

 

Die Reproduktion eines Holzschnitts von Ulrich Molitor aus dem Jahr1489 auf der Infotafel neben dem Gedenkstein trägt den Titel „Hexe verzaubert Mann“. Auf das Wirken der „Hexe“ fällt einem Mann der rechte Fuß ab. Im Hintergrund sind die Burg Kreuzberg und die umgebende Landschaft gut zu erkennen. Möglicherweise hat diese Kulisse Herrn Molitor Pate gestanden.

 

Quellen: Protokoll des Kurfürstlichen kölnischen Hochgerichts aus: Stadtarchiv Köln, III, Beitrag zur Geschichte der Hexereien im Erzstifte Köln, 1740

Ein ländlicher Rittersitz an der Ahr, Festschrift – Chronik,1100 Jahre Pützfeld, 1993

Hans- Jürgen Wolf: Die Sünden der Kirche, Nikol Verlag, 1998

Gerhard Knoll: Hexenverfolgung im Kreis Ahrweiler 1500-1660, Helios Verlag, 2004

Wilhelm Josef Sebastian,MdB, Pressemitteilung vom 20.09.2008

Hans-Peter Pracht: täntze, todt und teufel – Die grausame Spur der Hexenverfolgung in der Eifel, Helios Verlag, 1993